Brot und Spiele oder panem et circenses (Dr. D. Schlegel, Neujahrsempfang UK 2011)
Für Brot arbeiten wir – Arbeit scheint das halbe Leben zu sein - Spiel, Sport und Freizeit könnten wir als die
andere Hälfte bezeichnen. Betrachten wir beides zusammen – es heißt ja: Brot und Spiele und nicht: Brot oder
Spiele.
Sehr geehrte Damen und Herren,
- Leistungsbereitschaft und Ausdauer
- Engagement und Kreativität
- Toleranz/Fairness und Teamgeist
- Führung und Verantwortung
- Erfüllung/Begeisterung und Entbehrung
Diese Eigenschaften klingen nicht nur gut, sondern sind grundlegende Werte für beruflichen UND eben auch
sportlichen Erfolg. So gesehen haben Sport und Arbeitswelt viele Gemeinsamkeiten und könnten Synergieeffekte
mit sich bringen, wenn Sport und Arbeit zusammen gedacht und zusammen gebracht werden dürfen. Denn
damit wäre – möglicherweise – eine Verbesserung für beide Hälften des Lebens erreichbar. Und das bei vielen
Menschen – hier vor Ort, und - bei Ihnen im Unternehmen.
Schauen wir uns die genannten 10 Schlagwörter genauer an:
Leistungsbereitschaft – motiviert an eine Sache herangehen, sich seiner Stärke und Fähigkeit bewusst sein,
sich auf eine Aufgabe konzentrieren und – Erfolg haben. So wünschen Sie sich Ihre Mitarbeiter, sicher auch,
weil Sie selbst aus demselben Holz geschnitzt sind. Und so wünscht sich z.B. der Trainer bei den Gewichthebern
jeden Einzelnen, der an die Hantel geht. Warum haben die Gewichtheber hier aus Obrigheim kürzlich gegen
Speyer mit 900:827 gewonnen? Weil sie Höchstleistung gezeigt haben. Verlangen Sie nicht nur Bestleistung
von Ihren Mitarbeitern, sondern trauen Sie Ihnen einfach vieles oder viel mehr zu. Ermutigung vorher –
und Lob danach.
Ausdauer – oder Übung macht den Meister/die Meisterin. Umsonst ist noch nie jemand erfolgreich
geworden. Das wissen Sie, die Sie Meisterprüfungen und/oder Diplome erworben haben und denen
nicht einfach Wissen, Können und Vermögen – ich meine, das was man vermag – in den Schoß gefallen
sind. Gerade wenn man am Anfang einer Berufslaufbahn steht oder mit dem Training beginnt –
oder jeder/jede, die schon einmal nach einer Krankheit oder OP mit Kraft- und Ausdauertraining wieder zu
Kräften kam, weiß, wie wichtig die vielen ersten Schritte sind, auch um erneut zu Kräften zu kommen, nicht
nur, um wieder zur Arbeit gehen zu können. Auch im Sport ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, sondern
mit Training zum Ziel gekommen – das muss nicht immer eine Goldmedaille sein. Manchmal wird ja auch
der Entwurf des Wettbewerbszweiten oder -dritten gebaut - und Erfolg kann mit einem aufrichtigen Danke gewürdigt
werden.
Engagement – wissen Sie, wer von Ihren Mitarbeitern in einem Verein aktiv ist, als Übungsleiterin, als Vorstand,
als Kassier, als Pressewart, als Hallenwart, als Schiedsrichterin? Wer im Chor brilliert oder mit seinem
Saxophon auftritt – oder bei der freiwilligen Feuerwehr Dienst tut? Wer sozial-karitativ tätig ist?
Es lohnt sich, dies zu wissen. Denn dort engagieren sich viele Menschen oft auch deshalb, weil sie im Beruf
keine Erfüllung und Anerkennung (mehr) finden. Fördern Sie dieses Engagement oder würdigen Sie es, indem
Sie Interesse daran zeigen – und Sie haben einen engagierten Mitarbeiter gewonnen, der vielleicht schon innerlich
gekündigt oder nur noch Dienst nach Vorschrift gemacht hat, wie eine sehr große Anzahl der Arbeitnehmenden,
so die Gallup- oder ähnliche Studien.
Vielleicht gestaltet ein solch engagierter Mitarbeiter das nächste Betriebsfest mit? Oder geht nicht schon mit 60
oder sogar zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente? Halten Sie ihn/sie in Anbetracht des bereits bestehenden
Fachkräftemangels in deutschen Landen so lange und so engagiert wie möglich in Ihrem Unternehmen – vielleicht
gründet er ja noch eine Betriebssportgruppe 59plus?
Natürlich ist eine Kette nur so stark wie ihr schwächstes Glied – aber hat nicht jede/jeder einmal schwache Momente?
Trägt die Gemeinschaft – macht man nicht sofort krank und klinkt sich aus, sondern hilft einander. Denn
wir sind häufig auf irgendeine Weise auf die Anderen angewiesen. Wenn das Arbeitsteam – und mit diesem sind
wir mehr als mit unserer Familie zusammen – auch in Krisen - einem zur Seite steht, dann werde ich das umgekehrt
ebenso ins Team einbringen.
Führung – trauen wir einem Mitarbeiter das zu, was er kann, oder unterfordern wir ihn? Das kannst du nicht –
damit demotivieren wir eher. Jeder Übungsleiter/jede Trainerin leistet mindestens 45 Minuten lang Höchstleistung,
führt die Gruppe im Wettkämpfe oder Aufführungen – wie im Herbst bei der Turngala in Walldürn. Dazu
braucht es Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen, Beharrlichkeit und gute Vorbereitung.
Auch ein Chorleiter – um die Nichtsportler anzusprechen – müssen den Überblick bewahren, das Ziel im Auge
behalten, Durststrecken durchstehen und diejenigen fördern, die etwas länger brauchen, um keine Misstöne
mehr zu produzieren. Kennen Sie die heimlichen
Führungstalente in Ihrem Betrieb? Seien Sie neugierig, was Ihre Mitarbeiter in ihrer Freizeit zuwege bringen.
Verantwortung – dazu brauche ich jetzt kaum mehr etwas zu sagen, außer: vor allem in der Jugendarbeit trauen
wir 18-Jährigen zu, Übungsleiter zu sein, Freizeiten zu leiten. Wir vertrauen ihnen unsere Kinder an – trauen wir
den Jungen, den Neuen, den Anfängern etwas zu, vertrauen wir ihnen etwas an. Es macht sich bestimmt bezahlt
– für beide Seiten. Die Volksbank hier im Kreis traut ihren Azubis zu, selbstständig eine Woche lang eine
Zweigstelle zu leiten. Man wächst an seinen Aufgaben, oder? Auch Fehler dürfen passieren. Daran wächst man
– das hat bestimmt jede/jeder hier schon selbst erfahren?!
Kreativität – ein Mitglied des Vorstands unseres Sportkreises hat unsere Homepage entworfen und dazu einiges
berufliche Wissen eingebracht. Er berichtete, dass seine Firma ihm die Zeit gibt, sich für alternative Projekte
Freitagnachmittags im Büro zu engagieren – ausprobieren, Versuch und Irrtum, querzudenken, sich mit Personen
aus anderen Abteilungen zusammenzutun - um neue Ideen vorwärts zu bringen. Forschung und Entwicklung
leben davon.
Ein ehemaliger Fußballer ist durch ein Gerümpelturnier, in dem er sich in einer anderen Sportart beweisen
musste, zu einem erfolgreichen Schützen geworden. Möglicherweise ist dies auch im Betrieb so, dass der richtige
Arbeitsplatz erst durch Umwege oder Zufälle gefunden wird?
Toleranz/Fairness sind wichtige Eigenschaften für ein gutes Miteinander. Anerkenne ich, dass mein Kollege/
Mitarbeiter nicht so denkt und arbeitet, wie ich es gerne hätte oder mir vorstelle? Was du nicht willst, das
man dir tu', das füge keinem anderen zu. Das gilt z.B. auf dem Fußballplatz, auch gegenüber dem Gegenspieler.
Ohne ihn – kein Spiel. Ohne Konkurrenz – kein Wettbewerb, besser zu werden. Im Anderen den Mitmenschen
zu sehen, ist auch in der Arbeitswelt wichtig. Nicht von vornherein nur den Konkurrenten ausstechen zu wollen,
sondern Absprachen zu treffen, sich an Vereinbarungen und Verträge zu halten – davon leben vor allem mittelständische
Betriebe.
Netzwerke oder Genossenschaften zu gründen – das habe ich vor kurzem bei einer großen Bank miterlebt –
miteinander sind wir stärker, um eben am Markt zu bleiben. Oder im Fußball, um gemeinsam zu gewinnen,
nicht nur Fairnesspokale.
Teamgeist - ich habe viele Jahre lang – nebenher – mit Schülerinnen und Schülern des BVJ in Stuttgart Bewerbungstrainings
durchgeführt. Häufig habe ich erst in den Nachgesprächen erfahren, dass z.B. die anscheinend
träge Schülerin in einer Volleyballmannschaft spielt. Auch wenn ihre Noten schlecht sind – aber sie geht jede
Woche mehrfach ins Training – Zuverlässigkeit, auch ein nicht zu unterschätzender Wert. Und sie verlässt sich
auf ihre Mitspielerinnen und diese auf sie – das führt zum Erfolg.
Erfüllung und Begeisterung – als Sprachwissenschaftlerin verweise ich auf die Inhalte dieser Worte. Erfüllung
– ich bin voll von etwas, voll begeistert, voll überzeugt – übrigens ist voll zu einer Steigerungsform in der Jugendsprache
geworden: voll gut – voll motiviert. Das, was ich tu' in meiner Arbeit, füllt mich aus, erfüllt mich,
macht mich zufrieden.
Lassen Sie es nicht zu einer Zweiteilung kommen, dass Mitarbeiter die Stechuhr minutengenau abpassen, um zu
der Tätigkeit zu gelangen, die sie erfüllt. Wo sie im Geiste schon am Montag – oder erst am Dienstag nach dem
blauen Montag – auf den Feierabend oder den Freitag warten, um endlich das zu tun, wovon sie begeistert sind.
Ich frage meine Studenten auch danach, ob sie von ihrem Fach begeistert sind – ob sie überzeugt davon sind,
das gefunden zu haben, mit dem sie die meiste Zeit ihres Lebens verbringen werden?
Und dann ist die Frage: findet ihr – im Praktikum oder in der dualen Ausbildung das auch im Betrieb vor oder
werdet ihr zu schnell von einer Realität eingeholt, seid mit eurem Wissen nicht gefragt oder gefordert?
Da wir nach Anerkennung streben, werden wir dies, wenn es in der Arbeit nicht anzutreffen ist, außerhalb suchen
und möglicherweise finden. Integrieren Sie Ihren heimlichen Bill Gates, damit er nicht seine eigene Firma
aufmacht!
Und Nr. 10: Entbehrung: per aspera ad astra – mit Mühen zu den Sternen. Zwei private Anmerkungen – ich
bin stolz auf meine Promotion. Mein damaliger Chef hat es mir nicht ermöglicht, nebenher zu promovieren.
Daher habe ich gekündigt, eine Halbtags- stelle angenommen und dann mit 1,0 promoviert. Ich habe in dieser
Zeit auf vieles verzichtet, um dieses Ziel zu erreichen. Nur eines habe ich mir gegönnt – und das war Sport, 3x
pro Woche. Danach habe ich stundenlang geschrieben, weil in einem gesunden Körper ein gesunder Geist
wohnt und der Sport Endorphine (Glückshormone) produziert.
Die Firma meines Mannes dagegen hat ihm sehr vieles zugemutet, abverlangt und ihn damit gefördert. Und
Betriebssportgruppen gibt es in dieser Firma bis heute.
Eine zu erwähnende Initiative ist hier die des Landessportverbands mit Wirtschaftsbetrieben. Sie als Betrieb
fördern Sportler oder im Sport oder im Ehrenamt Aktive und Sie werden Volltreffer landen, für Ihre Firma und
für Ihre Mitarbeiter. Fordern, Fördern und Anerkennung rechnen sich vielleicht nicht, aber zahlen sich langfristig
aus.
Zeit ist Geld, nicht nur für sparsame Schwäbinnen – daher komme ich zum Schluss. Auch wenn Sport nicht
Ihre Sache ist: wer in geistig und körperlich in Bewegung ist und bleibt, ist motivierter, mobiler und vor allem
gesünder.
Sie müssen keinen Firmensport einführen, aber wer läuft, Treppen läuft, kommt vielleicht bewegter an, trifft
andere Ideenträger und hat Zeit zum Nachdenken. Den Titel meiner Dissertation – alles hat seine Zeiten - habe
ich übrigens unterwegs gefunden. Eines haben Sport und Arbeit zumindest gemeinsam:
Ohne Einsatz und Energie kommt man nicht voran.
Genießen Sie jetzt Brot und Geist und Spiele – Essen, Trinken und Wortspiele und gute Gespräche.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!!
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